Positionspapier der CDU-Stadtfraktion zum Umwelt- und Klimaschutz
Für die Glaubwürdigkeit von Politik ist es jedoch von besonderer Bedeutung, dass wir die wichtigen Schritte zum Schutz unseres Klimas bedacht und zielgerichtet verwirklichen. Symbolpolitik hilft bei diesem wichtigen gesellschaftlichem Thema nicht weiter.
Pariser KlimaschutzabkommenAls Antwort auf die Warnung vor einer Klimakatastrophe haben 196 Länder und die EU die Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) ratifiziert. Im „Übereinkommen von Paris“ (Pariser Abkommen) im Rahmen der UNFCCC hat sich die Weltgemeinschaft 2015 verpflichtet, die Erderwärmung bis Ende des Jahrhunderts deutlich unter 2 °C und möglichst unter 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu halten.
Als Beitrag zu dem Pariser Abkommen haben sich die EU-Mitgliedsstaaten verpflichtet, bis 2030 gemeinsam eine Treibhausgasemissionsreduktion von mindestens 40 Prozent verglichen mit 1990 zu erreichen. Die EU arbeitet derzeit an einer Weiterentwicklung ihrer Klima- und Energiepolitik, um dieses Ziel zu erreichen. Bis 2050 soll der EU-weite Treibhausgasausstoß um 80 bis 95 Prozent gegenüber 1990 verringert werden.
Im Klimaschutzplan 2050 hat Deutschland klimapolitische Meilensteine definiert: Bis Mitte des Jahrhunderts soll Deutschland weitgehend treibhausgasneutral werden. Bis 2050 soll der Anteil der erneuerbaren Energien am Endenergieverbrauch auf 60 Prozent steigen und der Primärenergieverbrauch um 50 Prozent gegenüber 2008 sinken.
Der Klimaschutzplan 2050 legt erstmalig auch Ziele für die einzelnen Sektoren fest. Zur Senkung der Treibhausgasemissionen um mindestens 55 Prozent in allen Wirtschaftszweigen bis 2030 gegenüber 1990 wurden Zielkorridore für die Sektoren bis 2030 vereinbart.
Die EU-Mitgliedsstaaten haben sich verpflichtet, ihren Treibhausgasausstoß außerhalb des Europäischen Emissionshandels bis 2020 um zehn Prozent und bis 2030 um durchschnittlich 30 Prozent im Vergleich zu 2005 zu verringern. Die sogenannte Lastenteilungsentscheidung“ (Effort Sharing Decision; ESD) der EU bricht dieses Ziel für den Zeitraum 2013 bis 2020 auf die einzelnen Mitgliedsstaaten herunter, ohne weitere sektorale Vorgaben zu machen.
Die CDU Stadtfraktion bekennt sich ausdrücklich zum Pariser Klimaschutzabkommen und dessen Zielen. Die CDU Stadtfraktion stellt kritisch fest, dass die selbstgesteckten Klimaschutzziele der Bundesrepublik voraussichtlich nicht erreicht werden.
Notstandsbegriff
Vielfach wird deutlich gemacht, dass der Notstandsbegriff nicht im juristischen Sinn verstanden werden soll. Vielmehr soll die Dringlichkeit des Klimaschutzes hervorgehoben werden. Die in der Beschlussvorlage aufgeführten konkreten Forderungen (A bis J) beschränken sich v.a. auf langwierige Prüfaufträge.
Die Wirkung einer Zustimmung entfaltet sich aller Voraussicht erst in einem oder mehreren späteren Schritten. Sofern in Potsdam der „Klimanotstand“ beschlossen worden ist, wird man bei zukünftigen Anträgen - die tatsächlich oder vermeintlich dem Klimaschutz dienen - mit Verweis auf den festgestellten Klimanotstand nicht mehr gegen diese Anträge votieren können. Das heißt mehr Aufwand für die Verwaltung, mehr Kosten, mehr Personal, bevor auch nur eine einzige Maßnahme umgesetzt wird.
Klimanotstand in der Landeshauptstadt Potsdam
Die CDU Stadtfraktion kann dem Antrag zur Ausrufung des Klimanotstandes in der Landeshauptstadt Potsdam als Sofortbeschluss nicht zustimmen.
Die Wirkung des Antrages kann derzeit von keiner Fraktion abgeschätzt werden und bedarf deshalb umfangreicher Prüfaufträge. Nimmt man den Antrag zum Klimanotstand ernst, und dies tut die CDU Stadtfraktion, so bedingt ein Notstand eine Beschlussfassung ohne Aufschub. Zudem hätte dieser Antrag weitreichende Folgen für unsere Stadt, insbesondere für unsere Bürgerinnen und Bürger sowie das gesellschaftliche Zusammenleben, so dass eine Sofortbeschlussfassung ohne Beratung mit den Fachgremien (Ausschuss für Klima, Umwelt und Mobilität sowie Klimarat) nicht zielführend ist.
Einem Notstandsantrag – insbesondere zur Ausrufung des Klimanotstandes - stimmt man nicht nur als symbolischen Akt zu.
Aus Sicht der CDU Stadtfraktion hätte eine konsequente und ernsthafte Umsetzung des Klimanotstandes verschiedene Auswirkungen auf die Landeshauptstadt Potsdam. Die folgende Aufzählung ist nicht abschließend, da die Ausmaße des Antrags und deren Umsetzung im Moment nicht überschaut werden können:
a) Schaffung von (bezahlbarem) Wohnraum
Wer sich für den Klimanotstand ausspricht, kann sich nicht für die Schaffung von ausreichendem (bezahlbaren) Wohnraum aussprechen.
Die angespannte Situation auf Potsdam Wohnungsmarkt sowie die damit verbundenen steigenden Mieten sind eine große gesellschaftliche Herausforderung und stellen die Potsdamerinnen und Potsdamer vor große Probleme. Steigerungen der Baukosten, steigende Mieten, weniger bezahlbare Mietwohnungen, weniger potentielle Bauherrn in allen Bereichen.
In der derzeitigen Prognose wächst Potsdam bis 2035 um knapp 50.000 Einwohner/innen auf dann 220.000 Potsdamerinnen und Potsdamer. Für alle diese Neu-Potsdamer/innen werden Wohnungen benötigt.
Folgt man dem Anliegen des Klimanotstands, müsste aus ökologischer Sicht auf weitere größere Bauvorhaben verzichtet werden.
b) Ausweisung neuer Gewerbeflächen
Wer sich für den Klimanotstand ausspricht, kann sich nicht für die Ausweisung neuer Gewerbeflächen aussprechen.
Potsdam ist kein Wirtschaftsstandort, wie andere Landeshauptstädte. Unsere Stadt ist vor allem durch den Verwaltungs-, Dienstleistungs- sowie Wissenschaftssektor geprägt. Zur Sicherung von Arbeitsplätzen sowie zur Steigerung der Attraktivität ist es trotzdem dringend geboten, neue Gewerbeflächen auszuweisen, um Ansiedlungen zu ermöglichen.
Dies wäre bei einem Klimanotstand nicht möglich. Das bedeutet weniger Steuereinnahmen, weniger Mittel im Haushalt, weniger Investitionen durch die öffentliche Hand.
c) Mobilität
Wer sich für den Klimanotstand ausspricht fordert unverzüglich massive Eingriffe in alle Verkehrsarten, die aktuellen Verkehrskonzepte, -planungen und -investitionen. Nicht planbar sind derzeit die damit verbundenen notwendigen finanziellen Aufwendungen.
Potsdam versinkt jeden Tag im Verkehrs- sowie Pendlerchaos. Um die Gesundheit und Lebensqualität der Potsdamerinnen und Potsdamer zu verbessern und sie insbesondere vor Verkehr und Lärm zu schützen, muss es uns gelingen, die Vorteile aller Verkehrsmittel optimal zu nutzen. Unser Ziel muss es sein, Angebote zu schaffen, welche zum einen Umstiege zum ÖPNV ermöglichen sowie zum anderen erhebliche Anteile des Verkehrs aus dem innerstädtischen Bereich sinnvoll zu verlagern.
Durch den Klimanotstand sind verschiedene Potenziale nicht mehr abrufbar.
d) Gesellschaftliches Leben
Wer den Klimanotstand ausruft, müsste alle Aktivitäten mit unnötigen CO2-Emissionen, welche nicht zur Pflichtaufgaben der Landeshauptstadt gehören, überprüfen und konsequent zurückfahren.
Für die Landeshauptstadt Potsdam können die Folgen derzeit nicht abgeschätzt werden.
e) Verwaltungsstillstand
Am 7. August 2019 hat die Potsdamer Verwaltung ggü. dem Hauptausschuss über den aktuellen Stand der Überlastung sowie zum Krankenstand in der Potsdamer Verwaltung informiert. Das Rathaus nimmt die aktuellen Zahlen „sehr ernst“. Eine ernsthafte Prüfung aller Aufträge aus dem Antrag zur Ausrufung des Klimanotstandes legt die Verwaltung lahm und bedarf zweifelsohne weiterer Einstellungen über die „121-Stellen-Offensive“ hinaus.
Im jetzigen Verwaltungszustand wird diese durch die umfangreichen Prüfungen für Monate lahmgelegt.
Die CDU Stadtfraktion spricht sich dafür aus, die Ressourcen für eine zügige - möglichst beschleunigte - Umsetzung bereits beschlossener Anträge zum Umwelt- und Klimaschutz zu nutzen.
bisherige Maßnahmen
Der CDU Stadtfraktion ist bewusst, dass die beschlossenen Konzepte, Pläne und die bisherigen Maßnahmen der Landeshauptstadt Potsdam zum Umwelt- und Klimaschutz eine gute Basis sind. Diese reichen jedoch noch nicht aus und weitere Potenziale für den Umwelt- und Klimaschutz müssen erschlossen werden.
Potsdam ist eine der wenigen Städte, die mit dem „Masterplan 100% Klimaschutz 2050 in der Landeshauptstadt Potsdam“ bereits ein klares Signal für den Klimaschutz gegeben haben.
Der Masterplan ist das Konzept, welches ambitionierter in der Umsetzung betrachtet werden sollte, wobei alle Maßnahmen qualifiziert weiterentwickelt werden müssen.
Mögliche Szenarien für eine schnellere Erreichung im Jahr 2045, 2040, 2035 bzw. 2030 müssen mit den erforderliche Umsetzungsmaßnahmen vorgelegt und die Umsetzung neu bewertet werden.
ausgewählte Anträge der CDU Stadtfraktion
Übernahme der Kosten für Blühstreifen/Bienenweiden auf dem Gebiet der Landeshauptstadt Potsdam (Drs.: 18/SVV/0359 am 7. November 2018 von der SVV beschlossen)
Mitgliedschaft im Bündnis "Kommunen für biologische Vielfalt" (Drs.: 19/SVV/0688 Antrag CDU Stadtfraktion für die SVV am 14. August 2019)
Grüner Alter Markt (Drs.: 18/SVV/0488 am 7. November 2018 von der SVV beschlossen)
Ernährungsrat (Drs.: 19/SVV/0034 am 3. April 2019 von der SVV beschlossen)
VBB-Kombiticket für Potsdamer Erstligavereine und publikumswirksamen Ligabetrieb (Drs.: 19/SVV/0572 Antrag CDU Stadtfraktion für die SVV am 14. August 2019)
Aufbau eines Energie- und Klimaschutzmanagements (Drs.: 16/SVV/0179 am 4. Mai 2016 von der SVV beschlossen)
Kostenfreies Schüler / Azubi Ticket (Drs.: 19/SVV/0597 Antrag CDU Stadtfraktion für die SVV am 14. August 2019)
weiteres Vorgehen
Die CDU Stadtfraktion stellt fest, dass die bereits erreichten Maßnahmen in der Landeshauptstadt Potsdam beachtlich sind. Wir betonen jedoch, dass wir zukünftig große Herausforderungen zu meistern haben.
Es braucht dazu jedoch keine Symbolpolitik mit unzähligen Prüfaufträgen, welche die Potsdamer Verwaltung für die nächsten Jahre lahmlegt. Wir brauchen echte Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen.
Die CDU Stadtfraktion spricht sich dafür aus, dass sich die Stadtverordnetenversammlung auf Maßnahmenbündel in einzelnen Bereichen (bspw. Mobilität, Bauen, …) verständigt, welche durch die Fachgremien zunächst bewertet, qualifiziert und priorisiert werden. Erst dann erfolgt eine Beschlussfassung.
Die CDU Stadtfraktion schlägt verschiedene Einzelmaßnahmen – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – für mögliche Maßnahmenbündel zum Umwelt- und Klimaschutz vor. Zudem wird um die Unterstützung aller Fraktionen gebeten, um einen neuen Weg der Auseinandersetzung mit Anträgen zum Klima-/Umweltschutz zu bestreiten.
Die CDU Stadtfraktion schlägt folgende Vorgehensweise vor:
Maßnahmenvorschläge können bis zum XX.XX.2019 beim Klimarat der Landeshauptstadt Potsdam eingereicht werden.
Der Potsdamer Klimarat überprüft, bewertet und qualifiziert die vorgeschlagenen Maßnahmen im Hinblick auf ihren Nutzen für den Umwelt- und Klimaschutz und nimmt eine entsprechende Priorisierung vor.
Die Potsdamer Verwaltung ergänzt die Priorisierungsliste mit weiteren Qualifizierungen (bspw. finanzielle Dimension, …)
Erst jetzt werden die Maßnahmenvorschläge innerhalb der Stadtverordnetenversammlung diskutiert und eine Beschlussfassung herbeigeführt.
Ziel ist es, dass „die konkreten Klimaschutz-Maßnahmen in der Potsdamer Stadtgesellschaft breit zu verankern“.
mögliche Vorhaben einzelner Maßnahmenbündel:
Überprüfung des Masterplan Klimaschutz auf Verringerung des Zieldatums 2050.
gemeinsames integriertes Verkehrskonzept mit den Umlandgemeinden und dem Land Berlin.
10% aller städtischen Blühflächen werden zu Bienenweiden.
Saatgut für Blühwiesen wird von der Stadt bereitgestellt.
Potsdam verpflichtet sich 25.000 Bäume innerhalb der nächsten 25 Jahre zu pflanzen (Konzept) und prüft in diesem Zusammenhang eine Stadtbaumkampagne – wie in Berlin – mit einer Öffnung auch für private Flächen.
Potsdam bekennt sich zu seinen bestehenden Kleingärten und versteht diese als wichtiger Beitrag zu Stadtklima.
Ausgleichspflanzungen bei Bauvorhaben werden zukünftig verdoppelt.
Potsdam betreibt einen nachhaltigen Waldumbau der städtischen Waldflächen mit Unterstützung des Landes.
Bereitstellung eines festen Budgets für Klimaschutzmaßnahmen in der Landeshauptstadt Potsdam
Der Potsdamer Stadtkanal wird unter Klimaaspekten neu bewertet und eine Umsetzung zügiger vorangebracht, um die Vorteile für das Stadtklima zu nutzen. Insbesondere bei Starkregenereignissen, welche zukünftig vmtl. häufiger werden, kann er einen positiven Beitrag leisten.
Potsdam wird Mitglied des Klimabündnisses der europäischen Städte mit den indigenen Völkern des Regenwaldes Alianza del Clima e.V. Daraus ergibt sich eine konkrete Verpflichtung, die CO2-Emissionen alle fünf Jahre um 5% zu senken
Initiierung eines Umweltpreises, welcher Projekte im Bereich Umwelt-/Klimaschutz sowie Nachhaltigkeit honoriert und zum Nachahmen animiert.
Ein Grünraumkonzept für jeden Stadtteil zur Verbesserung des Stadtteilklimas.
Maßnahmen zur Klimafolgenanpassung werden einer breiten Öffentlichkeit näher gebracht und Menschen zum Mitmachen bewegt.
Konzept zum Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Mobilität.
Die Verwaltung überprüft, wie Volksfeste, städtische Veranstaltungen usw. umwelt- und klimaschonend durchgeführt werden können.
Die Landeshauptstadt prüft ein Rufbussystem und alternative Mobilitätsformen, welche dazu beitragen den ÖPNV nachhaltig und ökologisch gerecht weiterzuentwickeln. (bspw. Prüfung von O-Busnetzen sowie alternative Antriebssystemen für aktuell eingesetzte und zukünftig einzusetzende Busse).
Der Klimarat wird auf seine Zusammensetzung überprüft, denn er sollte sich aus den unterschiedlichsten Lebens- und Gesellschaftsbereichen zusammensetzen. Die Mitwirkung von Vertretern der aktuellen „Fridays for Future“-Bewegung ist hier ausdrücklich erwünscht. Politik ist in diesem Gremium ausdrücklich nicht erforderlich.
Kooperation mit der „SPSG“ um Synergieeffekte für das Stadtklima auszunutzen.
Zusammenfassung
Die Potsdamerinnen und Potsdamer erwarten von ihren gewählten Vertretern keine Symbolpolitik. Anträge sollen eine konkrete Umsetzungen bedingen. Wir müssen die Auseinandersetzung mit Umwelt-/Klimafragen nicht zum Wahlkampf missbrauchen und wieder in vernünftige Bahnen lenken.
Die CDU Stadtfraktion unterstreicht noch einem den Vorschlag zur neuen Vorgehensweise: 1. Maßnahmenvorschläge, 2. Überprüfung der Vorschläge durch den Potsdamer Klimarat, 3. weitere Qualifizierung der Vorschläge durch die Verwaltung, 4. Beschlussfassung durch die Stadtverordnetenversammlung.
Ziel ist es, die konkreten Klimaschutz-Maßnahmen in der Potsdamer Stadtgesellschaft breit zu verankern. Die Potsdamerinnen und Potsdamer müssen zudem vor weitreichenden Beschlüssen über deren kurz-, mittel-, sowie langfristigen Wirkungen für sie selbst, die Stadtentwicklung aber auch für auch für die gewünschte Zielsetzung in den Bereichen Klima/Umwelt informiert werden.
Die CDU Stadtfraktion kann aus den vorgenannten Gründen dem Antrag zur Ausrufung des Klimanotstandes nicht sofort zustimmen.